Mittwoch, 2. September 2015

Reise mit Mocino-Kaffee und ICAGUA durch Guatemala



21.08.2015

Vom 21.08. bis 28.08.2015 begleitete ich unsere Kunden ICAGUA (http://www.icagua.de) und ProGua (https://www.mocino.com) auf ihrer Reise (Route: https://goo.gl/maps/51TX7) durch den südwestlichen Teil Guatemalas. ICAGUA fördert Ausbildungsprojekte in Guatemala, ProGua importiert aus dem Land seit 14 Jahren organisch angebauten Kaffee. Ziel der Reise, die jährlich stattfindet, besteht darin, den Kontakt zu Fördernehmern und Kaffeebauern zu pflegen und zu intensivieren. Guatemala gilt als eines der ärmsten Länder der Welt mit ca. 12 Mio. Einwohnern auf einer Fläche, die ca. ein Drittel so groß ist wie Deutschland.



Ich bin rechtzeitig am Düsseldorfer Flughafen. Die Reisegruppe (Professor Nagel, Herr Berkemeier, Herr Reith von ICAGUA bzw. ProGua, die Nichte und der Neffe von Herrn Nagel sowie Dr. Obdenbusch, Direktor eines Krefelder Gymnasiums (http://www.fabritianum.de )), stehen schon in der Nähe des Schalters und sind erkennbar erleichtert, mich zu sehen. Der Stau auf der A 46 war wohl schon seit 6:30 Uhr im Radio. Zum Glück kann ich einchecken.

Das Flugzeug ist sehr groß – je zwei Plätze links und rechts, in der Mitte vier. Außerdem ist es leer, so dass ich die ganze Zeit dem Fenster gucken kann. Da geht es über Holland, den Ärmelkanal, London und die West Küste Englands auf den atlantischen Ozean hinaus.

Das Flugzeug (Airbus A330 / Airberlin) fliegt 12.000 m hoch. Trotz der Höhe kann man auf der riesigen blauen Fläche hier und da Schiffe sehen. Es gibt zweimal was zu essen und
viel zu trinken. Wenn man dann Amerika erreicht, sieht man zuerst ein paar Inselchen (ich nehme an die Bahamas) und anschließend Miami. Von oben wirkt es sehr geplant und schachbrettartig. Der Flughafen Miami hat eine verrottete und eine sehr schicke Seite. Wir müssen zunächst durch eine automatisierte amerikanische Grenzkontrolle und weil das nicht klappt, anschließend durch noch einmal eine menschenbetriebene („four fingers left hand, left thumb usw.“). Die USA befinden sich im Überwachungswahn und betreiben ein Arbeitsbeschaffungsprogramm an den Grenzen– soviel steht fest. Wir haben drei Stunden Miami-Aufenthalt und essen für die üblichen überzogenen Flughafenpreise Pommes und trinken Bier.

Dann geht es endlich los Richtung Guatemala – mit einem viel kleineren und älteren Flugzeug der American Airlines und lässigen amerikanischen Stewardessen, die aussehen wie in den Fernsehvorabendserien.

Noch eine Stunde nachdem wir die Küste passieren, kann man im türkisblauen karibischen Meer Riffe am Grund erkennen. Einfach unglaublich! Zum Glück ist auch in dem Flugzeug viel Platz, so dass ich mich ausstrecken und schlafen kann. Beim Anflug auf Guatemala City ist es schon dämmrig. Dunkel wird es hier schlagartig gegen 18:45 Uhr. Man sieht vulkanische Bergketten und wirre, funzelige Stadtbeleuchtung, wie sie für arme, alte Städte typisch ist.
Wache mit Pumpgun vor Supermarkt

Wir werden mit dem Hotelbus abgeholt. Es ist nicht weit. Vor dem Hotel steht bewaffnetes Personal, das uns schnell ins Hotel lotst. Hat das Auswärtige Amt doch Recht mit seiner Reisewarnung (http://kurzlink.de/mFgX0weha)? Nach kurzem Verschnaufen fahren wir mit dem Hotelbus zu einem tollen Restaurant. Es gibt Koriandersuppe aus der Tasse, leckeres Schweinefleisch und Bier der Marke „Gallo“. Ein sehr gutes Musiktrio singt und zupft „Besame mucho“ (https://www.youtube.com/watch?v=LLsg_Lk819s) . Wir sind jetzt circa 24 Stunden wach, und müde. Die Einwohner scheinen sympathischer zu sein als das AA vermutet– jedenfalls gehen die Kellner schon einmal miteinander sehr nett um.

Morgen verhandeln Herr Nagel und Herr Berkemeier, die beide fließend Spanisch sprechen, mit einem Projektnehmer von ICAGUA. Samstag werden wir nach Antigua fahren, das nach einer Naturkatastrophe einmal Ausweichhauptstadt des Landes war.



22.08.

Samstag fahren wir zu einem Projekt in Guatemala Stadt, das IGAGUA seit mehreren Jahren unterstützt. Der Kontaktmann erscheint mit seinem klapprigen VW Polo. Der Rest der Gruppe muss mit dem Taxi fahren. Wir fahren in einen armen Stadtteil. In einem alten im Kolonialstil gebauten Gebäude sitzen in verschiedenen schummrig beleuchteten Räumen Jugendliche ab 14 Jahren und basteln mit großem Eifer Papiermodelle. Andere sitzen vor altmodischen Computern. Meist sind es Kinder, aber
Lernen am Samstag
auch Erwachsene ab 30, die wegen des Schulgelds (die normale Schule kostet circa 40 Dollar im Monat, manche Guatemalteken verdienen aber nur zwei Dollar am Tag) nie zu Schule gegangen sind. Andere waren kriminell und wurden vom Bildungsministerium dorthin geschickt. Die Lehrer sind mehr oder weniger qualifiziert – einige stammen aus den eigenen Reihen, und der Unterricht ist entsprechend. Wir treffen einen Englischlehrer, der vor Nervosität kaum ein Wort rausbringt, als unser Mitreisender Englischlehrer Dr. Obdenbusch ihn – ganz freundlich - fragt, was er da gerade durchnimmt. Andere Lehrkräfte sind wesentlich selbstbewusster. Lernmaterialien haben die Schüler fast keine. Ein paar Stifte, Scheren, etwas zum Kleben. Zum Teil bekommen die Kinder auch Spanisch-Unterricht, weil sie zu Hause eine indigene Sprache sprechen, nie zur Schule gegangen sind und gar nicht wissen, wie Sprache funktioniert.

Aber – die Schüler kommen freiwillig an einem Samstag und haben Spaß bei allem was sie da tun. Überhaupt sind die Menschen hier viel fröhlicher als ihre Armut es vermuten ließe.



Nachmittags fahren wir nach Antigua– circa 40 km südwestlich von Guatemala City. Antigua ist die
Er faucht noch: Vulcan bei Antigua
ehemalige Hauptstadt, die gegründet wurde, als die eigentliche Hauptstadt bei einem Erdbeben zerstört wurde. Nach dem Anfang des 18. Jahrhunderts der Vulkan ausbrach, in dessen Schatten Antigua liegt, wurde die Hauptstadt zurückverlegt. Der Vulkan ist immer noch tätig und dampft vor sich hin. Ein einschüchterndes Bild. Heute früh geht es weiter nach Nordwesten nach Huehuetenango.









23.08.

Vom schmucken Antigua geht es Richtung Nordwesten. Gleich die nächste Stadt sieht leider heruntergekommen und abweisend aus. Schrottreife Laster und Busse dümpeln hinter Wellblechwänden. Viele hässliche Großflächenplakate präsentieren unzählige schräg wirkenden Kandidaten für politische Ämter "Sandra Presidente!" oder "Rodriguez Alcalde" heißt es da. Am 6. September sind
Manuel Baldizon ist so ein Kandidat
Präsidentschafts- und Bürgermeisterwahlen. Alle Präsidentschaftskandidaten haben europäische Züge und tragen zum Teil deutsche Namen – z.B. Jorge Heinemann, andere haben blondes Haar und blaue Augen. Die Kandidaten für den Bürgermeisterposten („Alcalde“) sind dagegen fast ausnahmslos Indianer. Hat gerade jemand Rassismus gesagt? Umweltschutz spielt im Wahlkampf nicht mal als Parole eine Rolle. Leider ist die schöne Landschaft überall vermüllt. Tüten und PET-Flaschen liegen allenthalben herum. In der Luft liegt stets der Geruch von verbranntem Plastik. Die Märkte sind schreiend bunt mit Bananen, Papayas, Äpfeln und Softdrinkständen. Überall wuseln die sehr kleinen Menschen (1,50 - 1,65 m ca.) mit ihren bunten gewebten Stoffen herum. Ich esse eine sehr leckere Portion handgemachte Pommes mit Mayo und Ketchup.

Bei aller Armut wirken die Leute entspannt und freundlich. Wir laufen wie Gulliver durch ein Meer von Lilliputanern. Soeben haben wir Bischof Ramazzini getroffen, den Herr Nagel 1996 kennen gelernt hat, und der sowohl ICAGUA wie auch den fairen Kaffeehandel unterstützt. Ramazzini ist ein bescheiden auftretender Mann mit entschlossener Stimme und großer Aura. Er war Vorsitzender der guatemaltekischen Bischofskonferenz, erfahre ich später. Er hat Feinde, weil er sich für die Rechte armer Bauern einsetzt. Lt. Wikipedia wurde er mehrfach mit Mord bedroht (https://de.wikipedia.org/wiki/Álvaro_Ramazzini ).

Morgen fahren wir weiter nach San Marcos und hoffen, dem landesweiten Straßenstreik zu entgehen. Dieser findet jetzt wegen der Parlamentswahlen am 6. September statt. Vor der Wahl sollen der
Bald Realität? 
Otto Pérez hinter Gittern
amtierende Präsident wegen Korruption zurücktreten und das Wahlgesetz geändert werden. Da wir die MTC (Movimiento de Trabajadores Cristianos) (http://kurzlink.de/gkcvV4CL5) besuchen, die am Streik beteiligt ist, hoffen wir auf besseres Durchkommen.

Folgende Tiere habe ich heute gesehen: Aras, Sittiche, Eidechsen, Kolibris, Geier und viele Hunde, die hier nichts gelten. Wenn wir Fotos machen und ein Hund schleicht sich ins Bild, treten die ansonsten freundlichen und friedlichen Leute wild nach ihm. Katzen sehe ich allerdings nicht. Stehen sie auf dem Speisezettel, oder essen die Menschen das, was die Katzen sonst äßen?




24.08.

Heute fahren wir nach Colotenango. In diesem Örtchen, in dem nur Maya (https://de.wikipedia.org/wiki/Maya ) wohnen, betreibt die katholische Kirche eine Schule für Kinder, die sonst nicht zu Schule gehen können. Die Lehrer verdienen so gut wie kein Geld, sind aber sehr motiviert und sehr herzlich.

Nebenan findet eine Messe von Bischof Ramazzini statt, die von einem Indianer konsekutiv in Mam, die Sprache der Maya, übersetzt wurde. Die Kirche ist proppenvoll. Die Indianer stehen bis draußen auf der Treppe. Sie sehen in ihrem Schmuck aus wie bei den Karl-May-Festspielen. Vor der Kirche
hier gibts alles: von A wie Ananas bis
Z wie Zapatas (Schuhe)
ist Markt, auf dem getrocknete Fischchen, Gemüse, Obst, Pommes, Hühnchen und Kleidung verkauft werden. Ich denke, dass die Leute hier tief gläubig, weil sie sonst den nächsten Tag nicht überstehen würden. Der Bischof ist sehr nett und ich habe mich mit ihm auf Italienisch unterhalten, weil er mitgekriegt hatte, dass ich das spreche. Auch nach der circa zweieinhalbstündigen Messe wirkt er absolut taufrisch.

Auf dem Weg zum nächsten Projekt kommen wir an einer Goldmine vorbei, die dem kanadischen Konzern Goldcorp gehört. Das Gold wird chemisch ausgewaschen, und eine Tonne Gestein ergibt 1 Gramm Gold. Das Gelände ist riesig und hat eine eigene Start- und Landebahn. Giftig violett schimmert ein Chemikaliensee auf dem Terrain. Später lese ich auf der Website von Goldcorp, wie vorbildlich umweltschützerisch in dieser Mine angeblich gearbeitet werde. (http://kurzlink.de/T3zCsAN71)
Leider faucht er nur auf dem Plakat

Wir fahren auf schrecklich schlechten Straße bis zu einem kleinen Ort, der auf 2.700 m liegt. Dort unterstützt ICAGUA ein Schulprojekt. Zuerst kriegen wir aber auf eine Art Almhütte eine Rindfleischsuppe mit Gemüse, die auf einem Lagerfeuer simmert.

Relativ spät am Abend kommen wir in San Marcos an und essen lecker. Wie immer gibt es etwas mit Mais, schwarzer Bohnenpaste, gebratenen Bananen und Ei. Ich spreche etwas und verstehe immer mehr Spanisch und radebreche vor mich hin. Das klappt aber schon ganz gut.

Morgen geht es weiter zum See Atitlan. Wir sind heute durch ganz viele unterschiedliche Vegetationszonen gekommen, darunter kaltes Bergland und Tropen. Ich bin gespannt, wann wir den ersten Jaguar sehen (das Tier – nicht das Auto!). Der Jaguar ist aber ungefähr so selten wie der Quetzal, der sagenumwobene Vogel, mit dessen Schwanzfedern die Häuptlingshauben geschmückt wurden. Wir brechen morgen leider schon um 7:00 Uhr auf.



25.08.

Mit drei Pick-ups fahren wir nach dem Frühstück zur Finca "Buenos Aires". Die Fahrt dauert circa zweieinhalb Stunden und führt in subtropisches Gebiet. Ungefähr nach anderthalb Stunden endet die Straße, und es beginnt ein Weg, der mit Natursteinen mehr schlecht als recht gepflastert ist. Man wird im Auto völlig durchgeschüttelt. Es ist eine Tortur für Mensch und Maschine. Nur Isuzu und Toyota können das offenbar ab. Wir überfahren einen Hund, der jault und sich mit gebrochenem Rückgrat nicht fortbewegen kann. Niemand kommentiert das. Der Weg zur Finca führt durch Regenwald vorbei an Kautschukbäumen, an denen kleine Auffangbehälter angebracht sind. Die Rinde ist spiralförmig geritzt, und ab und zu sieht man Mayafrauen in diesem Wald, die dort irgendetwas sammeln. Wir überqueren mit den Pickups reißende Flüsse und fahren an riesigen Bambusstrünken vorbei. Wenn man so durchgerüttelt wird, ist es unvorstellbar, dass für ein alltägliches Produkt wie Kaffee ein derartiger Aufwand getrieben wird. Nach circa 1 Stunde auf der Folterstrecke, auf der die Pickups mehrfach den Kriechgang einschalten müssen, erreichen wir die Finca der
Köchinnen der Kooperative San Pedro
Kaffeebauern. Am Rande eines großen

ungepflasterten Platzes stehen ein Schulgebäude, das wie eine leere Fabrikhalle aussieht, und mehrere ganz einfache Bauten, außerdem ein Plumpsklo. Männer, Frauen und Kinder kommen angelaufen und begrüßen uns freundlich, schütteln unsere Hände, umarmen uns. Plastikstühle und ein Tisch werden herbeigetragen. Hinter dem Tisch sitzen die Sprecher der Kooperative und  Rolf Nagel und Ingo Berkemeier von ProGua. Ihnen gegenüber sitzen circa 50 Campesinos (meistens Männer). Die Kinder sind in der Schule nebenan. Ein Sprecher der Bauern verkündet die Tagesordnung, andere Sprecher danken dem Verein für seine Arbeit. Unser Übersetzer aus Honduras, Sebastian, fasst für die Nicht-Spanisch-Sprechenden zusammen, was teils sanft, teils wütend vorgetragen wird.

Die Familien haben das Land vor 16 Jahren besetzt, nachdem es von anderen Familien aufgegeben wurde. Die rechtliche und finanzielle Situation ist prekär. Demnächst wird es aber eine Eigentumsübertragung an die jetzigen Mitglieder der Kooperative geben. Mittendrin wird gebetet, wobei viele der Anwesenden laut eigene Gebete sprechen, so dass es bald wie ein Hornissenschwarm klingt. Das Gebet endet im Vaterunser. Wir haben 80 Kappen mit Mocinoaufnäher mitgebracht, die nach Aufruf des Namens verteilt werden.


Polizistin den tropischen Regen inspizierend
Als die Schulglocke bimmelt, kommen alle Kinder gerannt und wollen Fotos mit uns oder von sich oder mit Mama und uns gemacht haben. Diese Fotos werden dann ein Jahr später als Abzüge mitgebracht. Denn: hier gibt es weder Strom noch Internet noch fließendes Wasser. Die Kinder sind sehr niedlich. In einem dunklen Schuppen kredenzt man uns leckere Hühnersuppe, Coca-Cola und Tequila.

Wir fahren die 3 Stunden nach San Marco zurück, um unsere Koffer zu holen. Dort sprechen wir mit Mitgliedern des Verbandes MTC. Das ist eine Menschenrechtsorganisation, die von der Kirche und der Konrad-Adenauer-Stiftung (http://www.kas.de ) unterstützt wird, die unter den Bauern hohes Ansehen genießt. Anschließend geht es wieder drei Stunden zum See Atitlan. Die Nachtfahrt ist nötig, weil tagsüber im ganzen Land Straßensperren sind. Hier am See gibt es Tourismus und wir gehen ins „Casablanca“ essen, einem Lokal das einem Ehepaar aus Berlin gehört. Morgen fahren wir übern See übern See zu einer anderen Kooperative. Der lange Dr. Obdenbusch und ich sortieren unsere durchgerüttelten Knochen.



26.08.

Morgens brechen wir zu Fuß zum Ufer des Sees auf. Für 600 Quetzales (70 $) kann die ganze Gruppe 15 km über den See und zurück fahren. Rodolfo, ein etwas schlitzohrig aussehender Indianer, führt Verhandlungen, erweist sich aber als ok. Sein Bruder Lukas (circa 1,50 m, helle Mädchenstimme) fährt uns mit dem Boot mit circa. 40 Sachen über den See, dass ist nur so spritzt. Am anderen Ufer geht
Bauer der Kooperative San Pedro
es mit Tuktuk-Taxis weiter zur Kooperative "San Pedro". Diese Kooperative ist weitaus technisierter als die, die wir in den Bergen besucht haben. Wir werden zuerst zur Plantage und anschließend zur Weiterverarbeitungsanlage geführt. Im wesentlichen geht es hier um das Schälen, Waschen und Trocknen der Bohnen. Da zur Zeit keine Ernte ist, sehen wir leider nur leere Betonbecken und einen großen leeren Betonplatz, auf dem sonst die Bohnen getrocknet werden. Wir werden zur Wurm-Zuchtanlage geführt, und ich greife beherzt in das Erd-Wurm Gewimmel. Der eigentliche Dünger, der hier statt Chemie verwendet wird, ist Wurm-Urin. Das muss man sich auch einmal für die nächste Tasse Kaffee merken. Wir betreten in einen Versammlungsraum, in dem ProGua eine Wand-Zeitung zur Entwicklung der Marke anpinnt, die auf großes Interesse stößt. „Calidad“ (Qualität) ist hier das große Thema.

Die Kontamination des Sees durch Chemikalien ist eine Bedrohung für den organischen Anbau. Wenn man nämlich genau hinschaut, sieht man sehr viele Algen im See, die von Überdüngung herrühren.

Wir werden mit kleinen Kaffeesäckchen beschenkt und essen die übliche Rindfleischsuppe. Das feuchtheiße Klima geht nicht nur mir auf den Kreislauf.

Hinten auf einem offenen Pickup rumpeln wir zurück zum Anlegesteg.

Dann geht es mit dem Boot zurück auf die andere Seeseite. Dort verhandeln Herr Nagel und Herr Berkemeier mit Miguel und Carlos von der Handelsorganisation. Ich verstehe inzwischen eine ganze Menge Spanisch. Neben unserem Hotel gibt eine Einkaufsmeile für Touristen. Letztere gibt es allerdings zur Zeit sehr wenige. Es gibt leider nur dieses schreiend bunte Zeug zu kaufen, das in Europa niemand anzieht oder ins Wohnzimmer tun würde.
kein Strom, kein fließendes Wasser, kein Handy
Kinder der Kooperative vor ihrem Schulgebäude 

Wir treffen Roland, einen ausgewanderten Nürnberger, auf der Straße, der vor 14 Jahren wegen seines Rheumas hierher gezogen ist und mit seiner Dreiradkarre samt angebautem Grill Wurst brät, was ja eindeutig zu seiner Herkunft passt. Nach seinen Aussagen ist das politische System komplett korrupt, aber ihm gefällt es trotzdem hier. Die Luft, die Natur, die geschäftlichen Möglichkeiten... Die Berichte in den Zeitungen legen tatsächlich nahe, dass die politische Kultur völlig danieder liegt. Ständig werden irgendwelche Minister festgenommen und unter Gejohle der Öffentlichkeit ins Gefängnis gesteckt oder sie setzen sich gerade ins Ausland ab. Die Vizepräsidentin ist gerade in den normalen Frauenknast verlegt worden, wobei „normal“ hier nichts Gutes bedeuten kann.


27.08.

Wir brechen morgens auf, um MTC-Leute bei einer Demonstration vor dem Regierungspalast zu treffen. Ca. 2.000 Leute sind um 10 Uhr dort und schwenken Guatemala-Fahnen. Leider tröten viele auf ihren Vuvuzelas herum, so dass ein ohrenbetäubender Klangteppich entsteht. Wir verlassen den Platz und streifen durch die Stadt. Tausende von Demonstranten strömen zum Platz. Sie tragen Bilder mit Otto Pérez, dem Präsidenten hinter Gittern, Otto Pérez-Puppen am Galgen und einen Sarg mit der Aufschrift „libertad“. Die Menge skandiert „El pueblo unido jamas sera vencido“ (das vereinte Volk ist unschlagbar), so dass ich eine Gänsehaut bekomme. Alles wirkt trotzdem unverbiestert. Polizei ist wenig zu sehen. Inzwischen sind ca. 20.000 Leute auf dem
ziemlich am Ende: 
die politischen Verhältnisse 
in Guatemala
Platz. Wir treffen die MTC Leute, die wir morgens gesehen hatten, leider nicht wieder und kehren zum Hotel zurück.

Von dort gehen wir zu Fuß in einen schicken Stadtteil und betreten eine Shopping-Mall. Alle Geschäfte haben wegen der Demonstration geschlossen. Wir sehen einen Faber-Castell-Laden mit einem aufgeklappten Buntstiftkasten und ca. 200 Stiften in allen Farben. Völlig grotesk angesichts der Not ringsum. Da könnten Herr Graf durchaus einmal eine ritterliche Spende für die Samstagsschule tätigen.






28.08.

Wir brechen in aller Herrgottsfrühe auf und schaffen es trotzdem nur knapp zum Gate. Eine sehr breithüftige amerikanische Stewardess rempelt alle Leute mit Gangplätzen mindestens einmal an. In Miami wiederholt sich die neurotische Kontrollprozedur der Amerikaner.

Montag, 17. August 2015

Periscope

Periscope - mit dem eigenen SmartPhone sendet man besser


Vor Jahren wurde ein fieses süßes alkoholisches Getränk namens "Persico" ausgeschenkt. Das fiel mir ein, als ein Freund mir vor 4 Tagen von "Periscope", dem "neuen heißen Scheiß" wie er sich ausdrückte, erzählte. Und tatsächlich, Persiscope IST der NHS. Eine Art persönliche Fernsehstation zur Direktübertragung sozusagen.  


Worum geht es

Periscope von Apple
Originalfoto von Apple (c) Apple

Persiscope ist wie Twittern mit Livebildern. Man kann das Smartphone einschalten, mehr oder weniger Unterhaltsames filmen und die Welt daran teilhaben lassen. Auf einer Weltkarte können sich passive Periscopenutzer einklinken und schauen, was da so "läuft". Sie können mit dem Sender per Chat interagieren. Mein Berliner Freund z.B. klemmt morgens sein Smartphone aufs Rad und überträgt den Weg zur Arbeit. Immerhin 70 Follower hat er deswegen schon. Das beste, was ich bisher gesehen habe, war eine private Musikrätselshow. Ein Andrew in LA spielt Worldmusic ab und lässt raten, aus welchem Land die jeweilige Musik stammt. 

Eine Alice aus Arizona zeigt ihre imposante afrikanische Schildkröte. Alle können sich einschalten und per Chat Fragen stellen: wie schwer, wie alt, woher usw.

eLearning per Periscope

Mit Persiscope tun sich für Journalisten und Lehrende neue Horizonte auf. Nie war es so einfach Pressekonferenzen zu übertragen oder eine Lehrveranstaltung. 

Mit Persiscope nach Guatemala

Auf der noch relativ unbefleckten Persicope-Weltkarte können Interessierte in der Zeit vom 21.08. bis 28.08. Live-Berichterstattung über den Besuch bei Kaffeebauern verfolgen.
Einfach mal ausprobieren!
  

  

Montag, 11. Mai 2015

Elektrische Gewissensprüfung

Wenn's das nur früher schon gegeben hätte! 

Als ich nach meiner Bundeswehrzeit Ende der Siebziger Jahre nachträglich den Kriegsdienst verweigerte, wurde ich durch das Kreiswehrersatzamt einer "Gewissensprüfung" unterzogen. Eine solche Prüfung fand ich damals albern, weil kaum objektiv durchführbar. Was der Prüfungsvorsitzende und seine Beisitzer, ein Schornsteinfeger und ein Bäcker nicht schafften, gelingt jetzt einem Automaten.

Seit einigen Tagen kann man im Internet Zeuge einer ausgeklügelten Gewissensprüfung werden. Ein Verkaufsautomat - aufgestellt am Alexanderplatz - bietet T-Shirts für sensationelle 2 Euro an. Nach Einwurf des Geldes und Drücken der Warentaste spuckt das Teil jedoch nicht die verlangte Textilie aus, sondern spielt einen Film ab, in dem die Arbeitsbedingungen der Näherinnen gezeigt werden, die in schäbigen Fabriken für ein paar Cent pro Tag Hemdchen für den Westen nähen.
Wenn der Film zu Ende ist, stellt der Apparat den verdutzten Käufer vor die Wahl "Trotzdem kaufen - oder 2 Euro spenden, damit die Arbeitsbedingungen der Näherinnen verbessert werden?". Erfreulicherweise spenden fast alle den Betrag, denn es dämmert auch dem Abgestumpftesten, dass Billigklamotten zu Ungerechtigkeiten führen. 

Übertragen auf die Online-Welt würde ein derartiges Experiment wohl eher zu Kaufabbrüchen und weniger zu Spenden führen, denn die Anonymität des Internet macht es doch etwas einfacher, sich aus der Verantwortung zu stehlen, die man ja auch als Konsument hat.   

Aber es gibt ja auch gute Ansätze wie die unseres Kunden ProGua aus Düsseldorf, der von vornherein sagt, dass sein Mocino-Kaffee teurer ist als "normaler" Kaffee, wird er doch direkt von zwei Kooperativen in Guatemala gekauft, die sich deshalb eine Schule für die Kinder leisten können. 

Ebenso lobenswert ist der hohe soziale Standard der Produktionsstätten von van Laack Hanoi, einem Luxushemdenhersteller und langjährigem Kunden aus Mönchengladbach. Unser Kunde das Öko Institut entwickelt seit mehreren Jahren "Strategien für nachhaltigen Konsum". Los, Ihr Verbraucher/innen lest das bitte ruhig, bevor Ihr das nächste Mal einkauft.

Man sieht - Hersteller und Verbraucher können also auch im Internet für Gerechtigkeit sorgen, indem sie ethisch anbieten und kaufen. 

Nochmal zurück zur Bundeswehr. Früher war die Gewissensprüfung ein großes Thema, aber das ist seit Ende des Kalten Krieges längst vergessen.  
Es wäre allerdings eine Überlegung wert, sie in Anbetracht massenhaft verbreiteten gedankenlosen Konsums, der die Flüchtlingsschiffe füllt, wieder einzuführen.